Der Sternenpark Rhön erhielt kürzlich die Auszeichnung „Sternenpark des Jahres 2022“. Initiatorin Sabine Frank setzt sich mit viel Engagement und Herzblut für das Thema natürliches Licht und dessen Schutz ein, und wirbt seit vielen Jahren schon für Verständnis und Änderungen in Politik und Wirtschaft, um der Lichtverschmutzung entgegen zu wirken. Persönlich sieht sie den Sternenhimmel mit ganz besonderen Augen. – Ein Beitrag aus unserer Rubrik „Bewusst leben“.
Was ist das Faszinierende am Sternenhimmel?
Sabine Frank: Um es mit Astrid Lindgrens Worten zu sagen: Wie schön muss es im Himmel sein, wenn er von außen schon so schön aussieht! Ich bin immer wieder von den natürlichen Beleuchtungsstärken fasziniert. Darum versuche ich, das „Sternenvirus“ unter die Menschen zu bringen. Der Sternenhimmel berührt einfach das Innerste. Und das schon seit Menschengedenken. Durch die Kulturgeschichte haben wir uns auf vielfache Weise mit dem Sternenhimmel befasst. Zum einen technisch, aber auch in der Lyrik, der Poesie oder die Bibel, wie im Psalm acht „Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast.“
Sie sprechen von den natürlichen Beleuchtungsstärken – was versteht man darunter?
Sabine Frank: Das hellste Licht in der Nacht ist der Vollmond. Im Winter steht er steil am Himmel und entfaltet seine größte Lichtstärke: 0,3 Lux. Zum Vergleich: ein strahlender Sonnentag mit blauem Himmel liefert 120.000 Lux. Nur fast ein halbes Lux, das ist die maximale natürliche Beleuchtungsstärke der Nacht bei Vollmond. Nichts verändert die Nachtlandschaft so sehr wie der Mond. Und Tiere sind darauf eingestellt. Worauf sie nicht eingestellt sind, ist die Lichtverschmutzung des Menschen. (Lux ist die physikalische Einheit für die Beleuchtungsstärke von Lichtquellen, Anmerkung der Redaktion).
Warum eignet sich diese Region besonders dafür, den Menschen das vor Augen zu führen?
Sabine Frank: Die Region der Rhön ist relativ dünn besiedelt und hat eine gute Hochlage. Dort hat man eine recht gute Nachthimmels-Qualität. Zudem ist die Rhön UNESCO Biosphären-Reservat und somit ein Hotspot für Biodiversität in Deutschland. Arten, die es in Deutschland kaum noch gibt, kommen hier vor und sind darum besonders schützenswert.
Um die Sterne sehen zu können, brauchen wir Dunkelheit – die ist aber sehr oft negativ besetzt …
Sabine Frank: Ja, leider. Das steckt zum Beispiel in einer Redewendung wie „Licht ins Dunkle bringen“. Dabei ist der Sternenhimmel faszinierend und inspirierend zugleich, und diese natürliche Dunkelheit ist einfach unglaublich beruhigend. Weil man einfach wenig optische Ablenkung hat. Augenurlaub sozusagen. Trotzdem wird immer Angst mit Dunkelheit geschürt – in Filmen zum Beispiel. Oder heute noch, wie schon damals, im Märchen. Meine Mission – auch als Sternenführerin – ist darum, die Menschen wieder dem Sternenhimmel und damit auch der natürlichen Dunkelheit näherzubringen. Damit wir ihn wieder schätzen lernen und sehen, was wir dort oben haben. Ich erlebe immer wieder, dass Menschen dabei die Tränen kommen, wenn sie die Milchstraße sehen.
Ist uns Menschen im Laufe der Zeit da etwas verloren gegangen?
Sabine Frank: Ich glaube, die Verbindung zum Himmel ist abgerissen, der Blick ist kaum noch nach oben gerichtet. Das ist einerseits der Enträtselung des Weltalls geschuldet, es verliert durch die Astrophysik immer mehr seine Geheimnisse. Dann dadurch, dass Kunstlicht unseren Alltag bis in die Nacht hinein durchdrungen hat und die Tatsache, dass die Menschen kaum noch nach oben sondern hauptsächlich nach unten und aufs Handy schauen.
Das Thema Lichtverschmutzung – ein nicht zu unterschätzender Faktor, der unserer Umwelt sehr zu schaffen macht, sagen Sie …
Sabine Frank: Das Problem ist, dass Licht nicht am Entstehungsort bleibt, sondern auf die Reise geht – mit Lichtgeschwindigkeit. Es strahlt überall hin, in zu hohen Intensitäten. Es hellt nicht nur die direkte Umgebung auf, sondern trifft in der Atmosphäre auf Staub- und Wasserteilchen, daran bricht es sich und erhellt auf diesem Weg sogar die Nachtlandschaften in den strengsten Schutzgebieten – durch Licht, das viele Kilometer entfernt entsteht! Doch das Licht stört den biologischen Rhythmus gewaltig, denn der Tag-Nacht-Rhythmus ist der wichtigste Taktgeber für alle Arten; Pflanzen wie Tiere, Menschen wie Mikroben – alle sind betroffen. Ein Großteil der Lebewesen ist nachts unterwegs, andere sind nachts ruhebedürftig. Sie sind auf die natürlichen Beleuchtungsstärken ihrer Nachtlandschaft angewiesen. Mit dem Kunstlicht und der Art und Weise, wie es sich ausbreitet, stören wir die natürlichen Beleuchtungsstärken, die es seit Jahrmillionen gibt.
Fehlt uns Menschen das Bewusstsein, dass auch zu viel Licht Verschmutzung ist?
Sabine Frank: Wir verändern die natürlichen gott gegebenen Beleuchtungsstärken mit unserem götzenhaften Anleuchten von sämtlichen alten Gebäuden, Schaufenstern und Firmen. Hinzu kommt die enorme Dekobeleuchtung in diesen Wochen – das gab es vor einigen Jahren in dem Ausmaß noch gar nicht. Lange hatten wir nur eine Funktionsbeleuchtung, nachts wurde sie in der Regel weitestgehend ausgeschaltet. Doch mit der gestiegenen Effizienz durch die LED kommt halt immer mehr Deko-Lichtschnickschnack dazu und damit auch ein Rückzug aus der Gemeinschaft. Was viele übersehen: Ressourcen werden verbraucht, Müll wird ohne Ende produziert und es wird enorm viel Licht erzeugt. Kunstlicht ist jedoch schon seit Jahren als eine der schädlichen Umwelteinwirkungen im Bundesimmissionsschutzgesetz erfasst und gleichgestellt mit Lärm und Luftverschmutzung. So wie es eine Nachtruhe vor Lärm gibt, sollte es auch eine vor Kunstlicht geben.
Interview: Judith Bornemann/CAP