„Ein Abschied in Raten.“ Das sei Demenz sowohl für die von der Krankheit Betroffenen als auch für deren Angehörige. Paul Ilg, ehemaliger Pfarrgemeinderatsvorsitzender in Salzweg, hat bis zu ihrem Tod vor sechs Jahren seine an Demenz erkrankte Frau fünf Jahre lang zu Hause gepflegt. Er weiß, wie es sich anfühlt, „einen lieben Menschen stückchenweise zu verlieren“. Was ihm selbst damals geholfen hätte, wäre ein Ort gewesen, an dem er sich mit anderen in ähnlichen Situationen austauschen hätte können. „So bin ich ein bisschen alleine gestanden“, sagt er heute und nimmt diese Erfahrung zum Anlass, Menschen einen Ort zu geben, an dem sie ins Gespräch kommen können. Zusammen mit Konrad Haberger von der Gemeindecaritas Hauzenberg hat er schon 2018 eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzkranken ins Leben gerufen. Nach einer pandemiebedingten Pause startet die Gruppe jetzt neu.
Die Selbsthilfegruppe soll sich wie schon in den Anfangszeiten auf monatliche Treffen fokussieren, in denen Angehörige von Demenzkranken abwechselnd zu Gesprächsrunden und zu Fachvorträgen von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen zusammenkommen. So seien in vergangenen Treffen etwa ein Neurologe oder ein Spezialist für Ernährung zu Gast gewesen, aber auch das Thema spirituelle Begleitung sei im Zentrum eines Treffens gestanden. Im Rahmen der Gesprächsrunden und des Erfahrungsaustausches unter den Teilnehmenden sei vor allem Paul Ilg der Experte, wie Konrad Haberger erklärt. Ein Experte im wortwörtlichen Sinne: „Einer, der Erfahrung hat.“ „Allein das Reden, das ein bisschen aus sich Herauskommen, ist bereits Selbsthilfe“, beschreibt Paul Ilg den Kern der Gruppe. Konrad Haberger schließt sich dem an: „Es tut einfach gut, einen Raum zu haben, wo man mit seiner Situation nach vorne kommen kann. Wo man einfach auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen kann.“
Paul Ilg hat die Krankheit in den Jahren, in denen er seine Frau gepflegt hat, gut kennengelernt. Zwar sei der Krankheitsverlauf immer individuell, doch gebe es Muster, die immer wieder auftreten. Für die Angehörigen der Betroffenen sei es oft die größte Schwierigkeit, die Demenz als Krankheit zu erkennen und nicht als Makel. Betrachte man sie als Makel, führe das oft dazu, dass man die Betroffenen isoliert. Man glaube oft, sie würden ab einem gewissen Zeitpunkt nichts mehr mitbekommen, und übersehe dabei, dass der demente Mensch seine Gefühle oft einfach nicht mehr entsprechend ausdrücken könne. „Die Nähe, die ein dementer Mensch dann eigentlich braucht, schwindet eher“, fasst Ilg zusammen. Diese fehlende Nähe rufe schließlich Angstgefühle hervor, die es seitens der Angehörigen zu erkennen gilt. „Das Umfeld muss wissen: Da ist jetzt jemand, der ist krank“, fordert Paul Ilg auf. Wenn jemand eine Grippe habe oder sich das Bein breche, sei das ebenso kein Makel. Bei der Demenz sei dies nur schwieriger zu akzeptieren. Und genau hier setze die Selbsthilfegruppe an.
„Du kannst kein Rezept anbieten“, stellt Paul Ilg über seine Rolle in der Selbsthilfegruppe fest. Einfach zuhören, das sei vor allen Dingen seine Aufgabe. Als pflegender Angehöriger müsse man viel Fantasie haben und sich hineindenken können „in eine Welt, die nicht die unsere ist“. Dabei soll das Angebot unterstützen. Der Erhalt der Menschenwürde der Betroffenen solle schließlich stets im Vordergrund stehen, so Konrad Haberger. Vor diesem Hintergrund die Teilnehmenden dabei zu unterstützen, das Leben anzunehmen, sehe er als eines der Ziele der Gruppe, die er mitunter auch durch spirituelle Begleitung fördern wolle. Er wolle die Teilnehmenden immer mit positiven Gedanken aus den Treffen entlassen und ihnen etwas mitgeben, was ihnen den weiteren Weg erleichtert.
Am 16. Februar um 18 Uhr findet im Pfarrheim in Salzweg nun das erste Treffen der Gruppe statt, zu dem alle Angehörigen von Demenzkranken herzlich eingeladen sind. Unter der Beteiligung der Ortscaritasvereine Hauzenberg, Salzweg-Straßkirchen und Hutthurm sowie des Seniorenclubs Salzweg-Straßkirchen hoffen die Organisatoren, schon bald jeden Monat eine Gruppe von etwa acht bis zwölf Personen begrüßen zu dürfen. Das Angebot sei dabei eine Ergänzung zu bereits bestehenden professionellen Angeboten beispielsweise des Kreiscaritasverbands Passau. Denn: „Es gibt genug Bedarf.“
Text: Tamina Friedl