Jahrzehntelang war sie ein viel besuchter Wallfahrtsort der Böhmerwaldbewohner: die Jungfrau-Maria-Kapelle, die Ende des 18. Jahrhunderts unweit einer Heilquelle auf dem Berg Tusset (Stožec) erbaut worden war. Während der kommunistischen Zeit wurde der Sakralbau seinem Schicksal überlassen. Der einst beliebte Wallfahrtsort geriet allmählich in Vergessenheit, von der Marienkapelle blieb in den 70er-Jahren nur mehr eine Ruine.
Kurz vor der Wende von 1989 wurde der Sakralbau wieder instand gesetzt und vom damaligen Kardinalem Miloslav Vlk geweiht. Seitdem ist die Tussetkapelle erneut zum beliebten Ziel für Pilger und Touristen geworden.
Legenden- und sagenumwoben ist auch der steile und dicht bewaldete Tussetberg, der das Wallerer Becken abschließt. Eingeklemmt von der Kalten und der Warmen Moldau schiebt sich das Bergmassiv bis an die weite Wiesen- und Weidelandschaft vor. Südlich des Hauptgipfels (1065 Meter) steht die Tussetkapelle. Kein Berg und keine Wallfahrtsstätte in weitem Rund der Heimatberge ist so eng mit der Vergangenheit Wallerns verbunden.
Schließlich wurden auf dem Goldenen Steig jahrhundertelang Waren von Passau nach Prachatitz gebracht. Wallern bot den müden Säumern Schutz und Herberge auf dem Weg durch den unendlich erscheinenden Wald. Laut einer mündlichen Überlieferung stand im 17. Jahrhundert unweit der Säumerbrücke eine kleine Holzkapelle mit einem Marienbild. Als die Schweden einfielen, zog mit ihnen Elend, Not, Krankheit und Tod mit. Zu dieser Zeit soll ein Vogelfänger, ein braver Mann namens Wenzel, genötigt worden sein, den Schweden den richtigen Weg durch die unwirtlichen Wälder zu zeigen. Er fürchtete um das Marienbild und versteckte es in einem wilden „Steinklüft“ am Tussetberg, so dass das Bild den Krieg heil überstand.
Eine weitere Legende: Ein lutherischer Soldat kam einmal des Wegs und schlug mit seinem Säbel auf das Marienbild ein, um es zu zerstören. Als er den ersten Streich getan hatte, ging vom Bild ein solcher Lichtschein aus, dass er sogleich geblendet zu Boden stürzte. Er fiel auf die Knie und glaubte von nun an an die Muttergottes.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass die Kapelle am Tusset eine vielbesuchte Marienwallfahrtsstätte wurde. Trotz strömenden Regens kamen auch heuer etwa 65 Pilger, um auf dem Tussetberg Gottesdienst am Fest Mariä Himmelfahrt zu feiern. Zelebranten waren Pfarrer Karel Falár aus Wallern, Pfarrvikar Yohan Injumala aus dem Pfarrverband Haidmühle, Pfarrer Jan Mikesch aus Nikolsburg und Diakon Dieter Stuka aus Niederalteich. Wallfahrer aus mehreren Nationen und ehemalige Böhmerwäldler beteten und sangen deutsche und tschechische Kirchenlieder. Es wurden auch wieder Spenden zur Erhaltung der Tussetkapelle an Bürgermeisterin Helga Finikova überreicht.
Dieter Stuka nutzte die Gelegenheit auch zum Gespräch mit dem ehemaligen tschechischen Kulturminister Mag. Daniel Hermann, der 1989 zum Priester geweiht worden und u.a. Sekretär von Bischof Miloslav Vlk war. Im Jahr 2007 bat er um Laisierung. Im zivilen Bereich arbeitete er für das Innenministerium und das Kulturministerium. Er blieb bis zum 13. Dezember 2017 Kulturminister der Tschechischen Republik. Im Gespräch wurde deutlich, wie wichtig Daniel Hermann dieser Ort im Böhmerwald ist. „Ich kann mich noch erinnern, als die Kapelle eine Ruine war“, machte er deutlich. Die große Erneuerung vor 30 Jahren sei für ihn „eine echte Auferstehung inmitten eines Naturtempels im Böhmerwald“. Dies sei auch ein Zeichen, dass Gott treu ist und sein Wort hält. „Das ist etwas, was ich im Herzen habe, hier spüre ich, von Gott geliebt zu werden. Aus dieser Kraft können wir weiterleben und in der Welt wirken. Das ist ein echter Wallfahrtsort für mich.“
Text: red