Liebe Leserinnen, liebe Leser,
jeder weiß inzwischen längst, dass die gute alte „staade Zeit“ für die meisten Menschen heute alles andere als „staad“ ist: Die große Zeit des Weihnachtsgeschäftes, der Weihnachtsmärkte, der Vorbereitungen auf das Fest, die vielen Adventsfeiern in Betrieben und Vereinen. Fast möchte man froh sein, wenn das, was eigentlich der ruhigen Vorbereitung auf das Fest dient, endlich vorbei ist. Und es dann endlich ruhiger wird…
Wichtig ist freilich – „staad“ bedeutet nicht einfach äußere Ruhe. Der stillen Zeit trotzdem einen Platz einzuräumen, mitten im Trubel, das wäre ein Ziel. Warum? Weil es im Blick auf Weihnachten gut ist, wenn wir uns einüben, hörende Menschen zu werden: hörend aufeinander und hörend auf die Stille, auf das leise Sprechen Gottes, auf seine zärtliche Sprache.
In der Weihnachtsmesse am 25. Dezember hören wir den Beginn des Johannesevangeliums: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Das göttliche Wort ist Mensch geworden – in Bethlehem. Zur Zeit der Volkszählung herrschte in dieser Stadt auch viel Trubel: Menschenmassen waren dort, es war laut und es war wahrscheinlich ein großes Durcheinander. Doch das kleine Christuskind in der Krippe, das Wort Gottes, ist leise und ohne große „Show“ in die Welt gekommen – als ein kleines Baby, im Stall, in einer Krippe, in die Stille der Nacht.
Erinnert Sie die Situation damals an heute? An Weihnachten feiern wir das Fest der Geburt Jesu. Wir feiern, dass Gott in die Welt gekommen ist. Als der Engel Maria verkündigt, dass sie ein Kind bekommen wird, sagt er ihr, es solle Immanuel heißen. Immanuel bedeutet: Gott mit uns. In Jesus ist Gott bei uns. Durch das Weihnachtsfest haben wir die Zusage, dass Er mit uns ist. Und dass er leise, zärtlich auch in unser Leben hineinsprechen will. Glauben wir das? Sind wir Menschen, die sich darin üben wollen, auf diese Stimme zu hören? Die uralte Erfahrung aller tiefen Gläubigen ist die: Ein solches Schweigen-lernen, ein solches Hören-lernen, ein solches Bleiben bei Jesus, führt in den Frieden und in die Freude.
An diesem Weihnachtsfest lade ich Sie daher ein, still zu werden und zu hören.
Ich lade Sie ein, sich umzusehen, wer um sie herum ist, und zuzuhören: vielleicht den Großeltern, die allein sind und Angst vor der Zukunft haben, vielleicht den Kindern und Enkelkindern, die viele Sorgen und Ängste mitbringen oder vielleicht Ihrem Ehepartner, dem die Arbeit und die Inflation zu schaffen machen. Aber ich lade Sie auch ein, leise vor dem Herrn zu werden. Und wieder neu zu hören, was er zu uns sagt; aufs Neue zu erfahren und zu wissen, dass er da ist. Dass der Herrgott zu uns gekommen ist, um uns unsere Ängste zu nehmen und Hoffnung zu geben, dass es mehr gibt als diese Welt, nämlich in Ihm den Frieden und die Freude – weil in IHM der Himmel beginnt.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes und staades Weihnachtsfest!
Dr. Stefan Oster SDB
Bischof