Vor 1100 Jahren wurde der heilige Wolfgang geboren. Das Bistum Regensburg feiert aus diesem Anlass bis 31. Oktober 2024 ein „Wolfgangsjahr“. Der mutige Verkünder des Glaubens, der auch im Bistum Passau Spuren hinterlassen hat, soll damit wieder neu ins Bewusstsein gerückt werden. Wir blicken zurück auf sein Leben und Wirken.
Eltern entscheiden sich heute eher selten, ihrem Kind den Vornamen „Wolfgang“ zu geben. Das war bis vor wenigen Jahrzehnten noch ganz anders: denn gerade in den 1950er und 1960er Jahren boomte „Wolfgang“ in Deutschland. Aber Vornamen haben eben Konjunkturen, mal sind sie beliebt, mal nicht. „Wolfgang“ befindet sich dabei derzeit in einer deutlichen Schwächephase.
Dabei fesselt die Lebensgeschichte des namengebenden Heiligen Wolfgang, selbst wenn Heilige, die vor mehr als 1000 Jahren gelebt haben, doch erstmal fremd erscheinen. So wissen wir beispielsweise wenig über die Familie des Heiligen. 924/925 wohl in Pfullingen in Schwaben geboren, stammte er aus einer Familie, die zwar frei, aber weder besonders mächtig noch besonders reich gewesen ist. Gleichwohl konnte es sich die Familie leisten, ihren Sohn zu einem Kleriker zu schicken, der ihm die elementaren Kulturtechniken – Lesen, Schreiben, Rechnen – beibrachte. Der Weg des Knaben schien spätestens seit seiner Übergabe an das Kloster auf der Reichenau im Bodensee vorgezeichnet. Er sollte Mönch werden. Die Eltern entschieden sich damit für einen der bedeutendsten Bildungsorte der damaligen Zeit. Die Schule galt als Eliteeinrichtung. Hier wurde gebetet, gelehrt, geforscht, gedichtet und musiziert – Wolfgang erhielt eine exzellente geistliche und geistige Ausbildung. Otloh von St. Emmeram, der uns schon im 11. Jahrhundert über das Leben des Heiligen Wolfgang berichtet hat, schreibt, dass Wolfgang ein gelehriger, eifriger und fleißiger Schüler gewesen ist.
Für den weiteren Lebensweg mindestens so entscheidend war aber, dass Wolfgang auf der Reichenau hochgestellte Freunde kennenlernte. Heinrich beispielsweise, der aus dem Haus der Babenberger stammte und damit zu den Großen und Mächtigen des Reichs gehörte. Sein älterer Bruder Poppo wurde 941 Bischof von Würzburg und nahm in der Folge die beiden jungen Männer in seine Domschule auf, wo kein geringerer als der große Gelehrte Stephan von Novara unterrichtete. Doch kam es hier zu Unstimmigkeiten und ließ es Wolfgang dem Gelehrten gegenüber offensichtlich an Ehrerbietung mangeln. Er wurde in der Folge vom Unterricht ausgeschlossen und musste sich neu orientieren. Die folgenden Jahre bleiben im Dunkeln.
Erst mit dem Jahr 956 taucht Wolfgang wieder in den Quellen auf. Heinrich war inzwischen Erzbischof von Trier geworden. Er holte seinen alten Schulfreund zu sich und vertraute ihm die Domschule an. Auch wurde Wolfgang zum decanus clericorum bestimmt. Reformeifrig wollte er bei den Klerikern im Umfeld des Erzbischofs das mit der Zeit abhanden gekommene Gemeinschaftsleben neu beleben und forderte eine straffe und strenge geistliche Disziplin ein.
Das brachte ihm Gegner ein und als sein Förderer Heinrich auf dem Italienzug König Ottos I. 964 an der Pest starb, musste Wolfgang Trier verlassen. Allerdings hatte Heinrich für seinen Freund vorgesorgt, ihn König Otto I. bekanntgemacht, ihm den Weg in die königliche Kanzlei in Köln geebnet und damit in das direkte Umfeld königlicher Macht. Doch schien es hier wieder zu Schwierigkeiten gekommen zu sein. Wolfgang auf jeden Fall kehrte Köln den Rücken und trat in das Kloster Einsiedeln ein, einem damals sehr reformfreudigen Kloster.
Viele kamen damals, um das berühmte Kloster zu besuchen. So auch Bischof Ulrich von Augsburg. Dieser hatte seine Bischofsstadt immer wieder tatkräftig gegen die einstürmenden Ungarn verteidigt und zuletzt 955 bei der berühmten Schlacht auf dem Lechfeld Kaiser Otto I. gegen die Ungarn entschlossen unterstützt. Er weihte Wolfgang im Jahr 968 zum Priester. Wieder hielt es Wolfgang nicht allzu lange an einem Ort aus. Er brach vielmehr mit Erlaubnis seines Abtes nur wenig später auf, um in Ungarn zu missionieren und den christlichen Glauben zu verkünden. Inwieweit Bischof Ulrich hier Impulsgeber gewesen ist, kann nicht geklärt werden. Aber es liegt zumindest nahe.
Doch scheint Wolfgang mit seinen Missionsbemühungen wenig erfolgreich gewesen zu sein. Sein Biograph Otloh schreibt vielmehr, dass es sich um ein „fruchtloses Arbeiten“ gehandelt habe. Darüber hinaus agierte er in einem Raum, den der Passauer Bischof Pilgrim für sich beanspruchte, der den Missionar prompt zu sich zitierte. Es ist unklar, ob es darum ging, Wolfgang zurechtzuweisen oder ob andere Fragen im Vordergrund standen. Wie dem auch sei, die Missionsreise nach Ungarn blieb lediglich Episode: denn 972 wurde Wolfgang nach dem Tod Bischof Michaels auf den Regensburger Bischofsstuhl berufen. Mit knapp 50 Jahren erhielt er durch Erzbischof Friedrich von Salzburg die Bischofsweihe.
Mit Wolfgang bestieg ein gelehrter Mönch den Bischofsstuhl. Weit gereist, viel erfahren, in den höchsten Kreisen des Reichs wohlbekannt. Der neue Bischof war flexibel, er fand sich in den unterschiedlichsten, auch schwierigen Situationen zurecht. Ihn zeichneten Gelehrsamkeit, Standfestigkeit, wohl auch ein starker Durchsetzungswillen aus. Er kannte zudem persönliche Niederlagen und Anfechtungen und hatte gelernt, damit umzugehen.
Schließlich war er Missionar und Pädagoge: Durchdrungen von geistlichem Reformwillen, gehörte er zu den Bischöfen, die eine Erneuerung der Klöster und des geistlichen Lebens anstrebten. Nicht zuletzt deshalb trug Wolfgang als Bischof weiterhin sein Ordensgewand.
Der neue Bischof handelte unmittelbar, beherzt und planvoll. Noch im ersten Jahr entließ er Böhmen gegen alle heimischen Widerstände aus seiner Jurisdiktion und ermöglichte damit die Gründung des Bistums Prag. Er stellte damit bewusst bischöfliche Eigen- und Machtinteressen zugunsten seelsorgerlicher Belange zurück. Bald schon wurden nun von Prag aus kirchliche Strukturen in Böhmen aufgebaut. Im Bewusstsein, dass sein Amt ihn voll und ganz fordern würde, gab Wolfgang darüber hinaus das bis dahin immer mit dem Bischofsamt verbundene Abbatiat von St. Emmeram ab. Auch dieser Schritt wurde mit viel Unverständnis aufgenommen: „Warum entziehst Du Dir und Deinen Priestern die Güter, die zu St. Emmeram gehören?“, fragten die Mönche einigermaßen fassungslos. Doch Wolfgang entgegnete ihnen mit großem Weitblick: „Es ist hinreichend für einen Bischof, mit aller Wachsamkeit sein Hirtenamt zu verwalten; aber auch für einen Abt ist es mühsam genug, wenngleich höchst fruchtbringend, für das Heil der Brüder zu sorgen“. Unter dem aus Trier herbeigerufenen Abt Ramwold, den Wolfgang persönlich kannte, erlebte die Abtei St. Emmeram in der Folge eine ihrer großen Glanzzeiten. Das Kloster wurde zu einem Ort der Bildung mit einer großen Bibliothek und einer hervorragenden Schule. Der spätere Erzbischof von Magdeburg, Tagino, erhielt hier seine Ausbildung, wie auch der spätere Erzbischof von Trier, Poppo, oder auch Balderich, der Bischof von Lüttich wurde und viele weitere mehr.
Wolfgangjahr 2024
Wolfgangs Reformschwung traf schließlich auch die Regensburger Domkanoniker, die, wie schon zuvor die Kleriker an der Domkirche von Trier, zur „vita communis“ und damit zum Gemeinschaftsleben zurückgerufen wurden. Als Bischof konnte sich Wolfgang nachhaltig durchsetzen. Durchaus wirkungsvoll wiederum stellten sich ihm die Damenstifte Ober- und Niedermünster entgegen. War Obermünster reichsunmittelbar und damit in hohem Maße selbstständig, hatte Judith, die Witwe des bayerischen Herzogs Heinrich I., im herzoglichen Eigenkloster Niedermünster den Schleier genommen und bewahrte hier die geübte, vergleichsweise freizügige Lebensform. Wolfgangs Reformimpulse konnten sich hier nicht durchsetzen. Als leuchtendes Vorbild gründete er dafür das Frauenkloster Mittelmünster und übergab ihm die strenge Benediktsregel.
Als Bischof von Regensburg waren dem Kirchenmann selbstverständlich auch die Menschen der Stadt und des Bistums anvertraut. So ließ er im Jahr 987 bei einer fatalen Hungersnot in Regensburg die Kornkammern öffnen und sorgte sich dabei ganz besonders um die Armen, denen das Nötigste zum Leben fehlte.
Bischof in Regensburg zu sein, bedeutete nicht zuletzt, sich im engen Umfeld des bayerischen Herzogs zu bewegen. Das führte zum einen dazu, dass er die Kinder des bayerischen Herzogs Heinrich II., des Zänkers, zu erziehen half. Der spätere Kaiser Heinrich II. wurde von ihm ausgebildet, ebenfalls dessen Bruder Bruno, künftiger Bischof von Augsburg. Aber er unterrichtete auch Brigida, die spätere Äbtissin des elsässischen Stifts Andlau, und Gisela, die König Stephan von Ungarn heiratete und Königin von Ungarn wurde und die nach dessen Tod und ihrer Vertreibung aus Ungarn als Äbtissin des Klosters Niedernburg in Passau lebte.
Zum anderen war Wolfgang durch die Nähe zum Herzog auch in die großen politischen Themen der Zeit involviert. Der bayerische Herzog erhielt nicht zufällig den Beinamen „der Zänker“: immer wieder forderte er das Reich in Aufständen und Verschwörungen heraus. So auch in der Mitte der 970er Jahre. Wolfgang, der sich damals dem bayerischen Herzog nicht anschloss, zog sich wohl 976/977 aus Regensburg zurück, visitierte die hochstiftischen Gebiete in Niederösterreich und hielt sich im Eigenkloster Mondsee im Salzburger Land auf. Auch hier reformierte er die Mönchsgemeinschaft.
Als etwa 70jähriger machte sich Bischof Wolfgang im Jahr 994 noch einmal auf die Reise zu den Regensburger Besitzungen in Österreich. Im oberösterreichischen Pupping starb er in einer Kapelle, die dem Heiligen Otmar geweiht war – gerade er stand ihm immer besonders nahe. Wolfgangs Leichnam wurde nach Regensburg überführt und in St. Emmeram beigesetzt. 1052 erhob Papst Leo IX. den Regensburger Bischof zur Ehre der Altäre. Der Heilige Wolfgang ist Schutzpatron Bayerns und Patron des Bistums und der Stadt Regensburg.
Die große Verehrung des Heiligen Wolfgang ging allerdings nicht allein von Regensburg, sondern vor allem vom Kloster Mondsee aus. Seit Ende des 13. Jahrhunderts ist die Wallfahrt zum Hl. Wolfgang am Abersee bezeugt. Bis in das 16. Jahrhundert hinein und dann auch wieder im 17. Jahrhundert gehörte sie zu den größten in ganz Mitteleuropa. Zwar wurde der Abersee Ende des 14. Jahrhunderts auch schon einmal „Wolfgangsee“ genannt – die Bezeichnung verdankt er aber sehr viel mehr dem steigenden Tourismus im 20. Jahrhundert. Die berühmten Geschichten um den Heiligen Wolfgang – der Beilwurf und das Quellwunder – gingen von hier aus. Sie wird man getrost ins Reich der Legende verweisen dürfen. Doch zeigen sie, wie sehr der Heilige Wolfgang in der Gegend des heutigen Wolfgangsees verankert gewesen ist und wie sehr er die Gegend nachhaltig prägte.
Prof. Dr. Hannelore Putz
Archivdirektorin
„So mutig wie Jesus“: Eine Materialsammlung zum Wolfgangs-Jubiläum
Rechtzeitig zum Wolfgangs-Jubiläumsjahr 2024 hat der Musiker, Komponist und Theologe Martin Göth mit dem Religionspädagogen Thomas Brunnhuber, Mitarbeiter in der Caritas und zuständig für Kindergärten in der Diözese Regensburg, und Pastoralreferent a.D. Paul Weininger, lange Jahre in der Pfarrei Mainburg tätig, eine umfangreiche Materialsammlung rund um den heiligen Bischof Wolfgang erstellt, die der RPA-Verlag-Landshut als kostenlosen Download anbietet. Diese Arbeitshilfe mit 70 Seiten ist bestens geeignet für die Pfarreiarbeit, den Religionsunterricht und auch für den Kindergarten.
Die Materialsammlung mit Hintergrundwissen, Geschichten, Gottesdiensten, Andachten und vielen neuen Liedern rund um Bischof Wolfgang lädt dazu ein, etwas von Wolfgang in uns zu entdecken und zum Leuchten zu bringen.
Jesus war mutig. Er sagte einmal: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12) Es ist mutig, als Licht in der Finsternis zu leuchten. Der heilige Wolfgang sei dafür ein wunderbares Beispiel. „Darum tut es gut, auf den heiligen Wolfgang zu schauen, von ihm in Geschichten zu hören, von seiner Bedeutung in Liedern zu singen und ihn in Gottesdiensten zu feiern“, so Martin Göth.