Wallfahrt

Wallfahrtsseelsorge im Spagat

Redaktion am 07.01.2025

2025 01 03 pb alb altoetting kapellplatz lichter Foto: Roswitha Dorfner
Viel Potenzial in bewegten Zeiten: Wallfahrtsorte können Leuchttürme der Seelsorge werden – wenn sie sich dem spirituellen Wandel stellen. Im Bild eine Langzeitbelichtung der Lichterprozession zu Maria Himmelfahrt in Altötting.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine Arbeitshilfe zur Zukunft von Wallfahrtsorten vorgelegt mit der Empfehlung, sich auf eine verändernde Pilgerschaft in einer säkularisierten Welt einzustellen. In einer ersten Einschätzung äußern sich der Wallfahrtsrektor Altöttings, Prälat Klaus Metzl und sein Stellvertreter, Kapuzinerbruder Marinus Parzinger zu dem Papier.

Pil­ger der Hoff­nung“ ist das Mot­to des Hei­li­gen Jah­res 2025, das Papst Fran­zis­kus an Hei­lig­abend eröff­net hat. Der Beauf­trag­te der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz (DBK) für das Groß­ereig­nis, Weih­bi­schof Rolf Loh­mann (Müns­ter), sieht dar­in eine gro­ße Chan­ce für die Kir­che welt­weit und bei uns in Deutsch­land zum Auf­bruch, zur Umkehr und zur Erneue­rung. Er zeigt sich über­zeugt: Wall­fahrts­or­te kön­nen zu Expe­ri­men­tier­fel­dern, zu Labo­ra­to­ri­en der Pas­to­ral und zu Erpro­bungs­räu­men für eine zukünf­ti­ge Kir­che wer­den.“ An ihnen kön­ne die Kir­che Umbrü­che, Auf­brü­che und die Trans­for­ma­ti­on von volks­kirch­lich gepräg­ten Orten zu Orten der Erst­be­geg­nung und Erst­ver­kün­di­gung erpro­ben und ein­üben. Auf­grund exter­ner und bin­nen­kirch­li­cher Fak­to­ren sei­en Wall­fahrts­or­te aller­dings einem tief­grei­fen­den Wan­del aus­ge­setzt und müss­ten ihre Pas­to­ral­kon­zep­te kri­tisch in den Blick neh­men sowie ihr Image und ihre spe­zi­fi­schen Ange­bo­te überprüfen.

2025 01 03 pb alb klaus metzl Foto: Roswitha Dorfner
Altöttinger Wallfahrtsrektor Prälat Klaus Metzl.

Für den Alt­öt­tin­ger Wall­fahrts­rek­tor Klaus Metzl bie­tet die Arbeits­hil­fe einen ers­ten Über­blick über die Viel­falt an pas­to­ra­len Mög­lich­kei­ten, die Wall­fahrts­or­te für die Ver­kün­di­gung der fro­hen Bot­schaft leis­ten kön­nen, wenn sie per­so­nell und struk­tu­rell ent­spre­chend aus­ge­stat­tet wer­den.“ Für den Stell­ver­tre­ter Metzls, Br. Mari­nus Par­zin­ger, tref­fe der Inhalt des Papiers die Situa­ti­on gut, rege zum Wei­ter­den­ken und Han­deln an und spa­re auch Span­nungs­fel­der nicht aus. Sein Fazit: Es braucht den Blick über den Tel­ler­rand und die Bereit­schaft zur Zusam­men­ar­beit. Gefragt sind eher Men­schen, die Ver­trau­en wecken, als Struk­tu­ren und Insti­tu­tio­nen.“ Denn letzt­lich sei­en es gute Erfah­run­gen, die Wall­fah­rer moti­vier­ten und sie wie­der­kom­men lie­ßen. Gefragt nach der star­ken Aus­rich­tung der Arbeits­hil­fe auf die Besu­cher der Wall­fahrts­or­te in all ihrer Viel­falt, sagt Wall­fahrts­rek­tor Metzl: Plu­ra­li­sie­rung und Indi­vi­dua­li­sie­rung sind zwei gesamt­ge­sell­schaft­li­che Phä­no­me­ne, mit denen auch wir als Ver­ant­wort­li­che in der Wall­fahrts-Seel­sor­ge kon­fron­tiert wer­den. Die­se Rea­li­tä­ten anzu­neh­men und dar­auf ent­spre­chen­de Ange­bo­te zu fin­den, ist ein Gebot der Stun­de und blei­ben­de Her­aus­for­de­rung. Der Spa­gat, den es aus­zu­hal­ten und zu gestal­ten gilt heißt: Über­kom­me­nen Tra­di­tio­nen mit Respekt zu begeg­nen und neue pas­to­ra­le For­ma­te qua­li­täts­voll zu wagen!“

Die Viel­falt der Moti­va­ti­on und Inter­es­sen von Pil­gern und Besu­chern an einem Wall­fahrts­ort sei Fak­tum, pflich­tet ihm Br. Mari­nus bei. Das füh­re aller­dings in eine gewis­se Span­nung, wenn man dar­auf ange­mes­sen ant­wor­ten wol­le. Manch­mal sei­en auch die Erwar­tun­gen der Men­schen wenig kon­kret. Da kön­ne ein kla­res Ange­bot hilf­reich sein: Es braucht schon Pro­fil. Gera­de die Ein­bet­tung und Rück­bin­dung in die Geschich­te der Wall­fahrt und eine reli­giö­se Pra­xis erden.“ Men­schen begeg­ne­ten ein­an­der, wür­den berei­chert durch die Erfah­rung und Sicht­wei­se ande­rer. Und sie ahnen den tra­gen­den Grund, Gott als Geheim­nis unse­res Lebens“, so der Kapuzinerpater.

2025 01 03 pb alb bruder marinus Foto: Roswitha Dorfner
Bruder Marinus Parzinger, stellvertretender Wallfahrtsrektor in Altötting.

In dem DBK-Papier wünscht sich die Tou­ris­mus­di­rek­to­rin von Alt­öt­ting, Ulri­ke Kir­nich, nie­der­schwel­li­ge Ange­bo­te von der Kir­che und die Koope­ra­ti­on mit tou­ris­ti­schen Anbie­tern. Dar­auf ange­spro­chen räumt Br. Mari­nus ein: Die Aus­drucks­for­men des Glau­bens sind einer wach­sen­den Zahl von Men­schen immer weni­ger bekannt. Daher müs­sen Ritua­le erschlos­sen wer­den. Neben der Pfle­ge von Tra­di­tio­nen hal­te ich nie­der­schwel­li­ge Ange­bo­te für not­wen­dig. Dazu gehört eine zeit­ge­mä­ße Spra­che, eine anspre­chen­de Lit­ur­gie, in der das Leben der Men­schen vor­kommt. Men­schen sind emo­tio­nal ansprech­bar, wol­len Erfah­run­gen machen. Zu abs­trak­te oder lebens­fer­ne Inhal­te erschwe­ren den Zugang. Nie­der­schwel­lig ver­ste­he ich als den Men­schen zuge­wandt, gut gestal­tet, auf kei­nen Fall bil­lig oder anbie­dernd.“ Ein spi­ri­tu­el­les Ange­bot, das Men­schen auf ihrer Suche beglei­te brau­che Tie­fe und Wei­te: Man muss etwas bie­ten und darf auch etwas erwar­ten.“ Bei allem gesell­schaft­li­chen Anpas­sungs- oder Ver­än­de­rungs­druck lei­tet Wall­fahrts­rek­tor Klaus Metzl in ers­ter Linie das Prin­zip der Qua­li­tät vor der Quan­ti­tät. Das gel­te allem vor­an für die Fei­er­ge­stalt der Got­tes­diens­te, das Beicht-Ange­bot, die Pre­dig­ten, die Kir­chen­mu­sik, die Minis­tran­ten-Arbeit, und vie­les ande­re mehr. Vie­le Wall­fah­rer kämen gera­de mit die­sem hohen Anspruch nach Alt­öt­ting. Sie sol­len vom Gna­den­ort Alt­öt­ting bestärkt heim­keh­ren kön­nen“, wünscht sich Metzl.

Wenn die Autoren des DBK-Papiers anre­gen, dass die Pil­ger- und Wall­fahrts­seel­sor­ge sich zukünf­tig als eine spe­zia­li­sier­te Spi­ri­tu­al Care“ (= das Küm­mern und spi­ri­tu­el­le Bedürf­nis­se“) nach innen wie außen posi­tio­nie­ren könn­ten, kön­ne er die­se The­se nur unter­strei­chen, weist aber noch­mals auf eine ent­spre­chen­de per­so­nel­le und struk­tu­rel­le Aus­stat­tung vor Ort hin. Für den stell­ver­tre­ten­den Wall­fahrts­rek­tor von Alt­öt­ting, Br. Mari­nus, ist Wall­fahrt eine ganz­heit­li­che reli­giö­se Pra­xis“. Der Titel Spi­ri­tu­al Care“ kön­ne durch­aus anre­gend sein, ver­bin­de er doch ver­schie­de­ne Lebens­fel­der wie Medi­zin, Psy­cho­lo­gie und Spi­ri­tua­li­tät. Auch er weist jedoch auf die Res­sour­cen hin: Dazu braucht es Weg­be­glei­ter und Gesprächspartner“.

Gefragt danach, ob das Papier mit sei­ner For­de­rung nach Frei­raum für Wall­fahrts­or­te deren Posi­ti­on inner­halb von Diö­ze­san­struk­tu­ren stär­ken kön­ne, ant­wor­tet Wall­fahrts­rek­tor Metzl: Wenn das Poten­ti­al der Wall­fahrts­or­te und der Wall­fahrts-Seel­sor­ge von den Ver­ant­wor­tungs­trä­gern erkannt wird, dann soll­te es so sein. Bleibt also zu hof­fen, dass die­se Arbeits­hil­fe gründ­lich gele­sen und ent­spre­chen­de Kon­se­quen­zen gezo­gen wer­den.“ Für Stell­ver­tre­ter Mari­nus Par­zin­ger ist zur­zeit noch offen, wie sich das Zusam­men­spiel von spi­ri­tu­el­len Zen­tren bzw. Leucht­tür­men, wie man Wall­fahrts­or­te oft auch beti­telt, und der flä­chen­de­cken­den Seel­sor­ge in Pfar­rei­en ent­wi­ckeln wird“. Die Such­be­we­gun­gen der Men­schen wür­den viel­fäl­ti­ger, die kirch­li­chen Res­sour­cen klei­ner. Es müs­se ent­schie­den wer­den, wohin die Kräf­te gelenkt wer­den; die Per­spek­ti­ven und Hand­lungs­op­tio­nen bräuch­ten Ent­schei­dun­gen. Denn: Die bes­ten Ideen blei­ben unwirk­sam, wenn nie­mand sie sich zu eigen macht.“

Wolfgang Terhoerst

Wolfgang Terhörst

Redaktionsleiter

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