Was soll nur aus den Buben werden? Die Mutter tot. Mit 41 Jahren plötzlich verstorben. Der Vater vermisst. Niemand weiß, ob er jemals lebend aus dem Krieg heimkehrt. Und das im Jahr 1946. Das Land liegt am Boden, niemand wagt vom Wirtschaftswunder auch nur zu träumen. Schon gar nicht im oberpfälzischen Steinwald, einem Armenhaus der Republik. Was soll nur aus den Buben werden? Das haben sich wohl die meisten Menschen in Erbendorf gefragt, als das Schicksal mit kalter Faust auf die Familie Schraml eindrosch.
Für Wilhelm, einen der drei Buben, begann in diesem Trümmerfeld der „gerade Weg zum Priestertum“, wie er später einmal sagen wird. Viel war ihm nicht geblieben. Mit der geliebten Zither, die er meisterhaft beherrschte, letztes Überbleibsel einer behüteten Kindheit in einem frommen Elternhaus, brachte eine Tante den Elfjährigen ins Knabenseminar in Obermünster. Aber nicht einmal die Zither durfte er behalten. Der Direktor des Seminars akzeptierte das „weltliche Instrument“ nicht. Was soll aus dem Buben werden?
Wir wissen es. Wilhelm Schraml hatte ein erfülltes Leben als Priester und Bischof. Er war ein unermüdlicher Antreiber, der seine Kirche mit Herz und Hirn vorangebracht hat. Einer, der voll und ganz in seiner Aufgabe aufging und sich kaum Zeiten der Muße gönnte. Ein Mann des Gebets, der Liebe zur Kirche und zu Christus, ein treuer Freund und Diener des Heiligen Vaters.
„Geh nur, wohin ich Dich sende, verkündige, was ich dich heiße, fürchte dich nicht, ich bin bei Dir.“ Mit diesem Primizspruch hatte der damals 26-Jährige sein Leitwort fürs Leben formuliert. Im Vertrauen auf Jesus Christus kann man hinausfahren auf den See, auch wenn es noch so stürmisch ist. „Wenn die Leute fragen, worauf sie ihr Leben gründen können, haben wir ihnen Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, nahezubringen. Dazu ist die Kirche gestiftet.“ Mit diesen Worten hat Bischof Schraml in aller Klarheit ausgedrückt, wie er seine Berufung sah.
„Jesus Christus als den Herrn verkündigen.“ Mit diesem Wahlspruch leitete er das Bistum Passau vom 23. Februar 2002 bis zum 1. Oktober 2012, als Papst Benedikt XVI. sein aus Altersgründen vorgebrachtes Rücktrittsgesuch annahm. Als Apostolischer Administrator wirkte Bischof Wilhelm noch bis zum 2. September 2013.
Er hatte es nicht leicht, als Bischof von Passau in die Fußstapfen des überaus beliebten Franz Xaver Eder zu treten, war er doch von einem ganz anderen Naturell. Kantig, gelegentlich aufbrausend, hat er es seiner Mitwelt auch nicht immer leicht gemacht. Und doch wirkte er unermüdlich aus seiner tiefsten Überzeugung, „der Kirche würde es wieder bessergehen, wenn sie sich auf das Eigentliche besinnt, wofür sie da ist, nämlich die Botschaft des Evangeliums zu verkünden, die Menschen zu Christus zu führen, sich denen besonders zuzuwenden, die Hilfe brauchen.”
Wichtig war ihm immer, den Menschen eine Heimat zu geben. Deshalb legte er auch großen Wert auf die Familienpastoral, wo er Akzente setzte, die weit über das Bistum hinaus wirkten. Er war auf diesem Gebiet am Puls der Zeit, wusste um die Nöte in den Familien und versuchte etwa mit dem Ausbau der kirchlichen Hilfsangebote die richtigen Antworten zu geben.
Ein Höhepunkt seiner Amtszeit war der Besuch von Papst Benedikt XVI. in Altötting und Marktl am Inn. Die Begegnungen mit dem Heiligen Vater am 11. September 2006 zählte Bischof Wilhelm Schraml auch zu den bleibenden Ereignissen in der traditionsreichen Geschichte der Diözese Passau. Ein Papst, der in diesem Bistum geboren wurde, kehrte zurück in seine Heimat, zu seinen Wurzeln. „Papst Benedikt XVI. war an diesem Tag im wahrsten Sinn des Wortes bei uns daheim”, sagte der Bischof zum Abschluss.
Heimgekehrt im endgültigen Sinn des Wortes ist nun auch Bischof Wilhelm Schraml. Wir müssen uns als Christen bewähren, „wir müssen etwas taugen“, waren seine Worte. Er hatte diese Lektion früh lernen müssen. In einer Zeit, als viele sich fragten, was aus diesem Buben einmal werden würde. Ein unermüdlicher Priester und Bischof, der mit ganzem Herzen Christus als den Herrn verkündigte. Möge er bei ihm seine letzte Ruhe finden.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur